Dienstag, 8. September 2015

#bloggerfürflüchtlinge | Die Fremde im eigenen Land

Man geht nichts ahnend aus der Haustür.
Genießt die Sonne im Gesicht.
Läuft barfuß über die Wiese.
Spielt auf dem Spielplatz mit seinem Kind und man folgt dem spontanen Wunsch des Kindes, noch in den Tierpark zu fahren.

So begann vor kurzem ein freier Tag von uns.
Glücklich und lächelnd stiegen wir in die UBahn.
Ich setzte Marlon auf meinen Schoß.
Wir saßen am Fenster und schauten hinaus, in Gedanken versunken.

Gegenüber ließen sich zwei ältere Damen nieder.
Laut fingen sie an zu reden:" Meinst du das ist auch eine von den Flüchtlingen??"
Die andere:" Meinst du? Das Kind ist aber so hell. Das passt gar nicht zu ihr."
Die eine:" Wir müssen mal aufpassen was für eine Sprache sie spricht. Aber sie sagt ja nichts."

Verdutzt schaute ich mich um und überlegte wen die beiden Damen denn meinen könnten.
Bis der Groschen viel.
Totenstille.
Verdutztheit.
Unglaublicher Zorn in mir.

Da sitzen zwei deutsche Frauen in der UBahn, in der Stadt in der ich geboren und aufgewachsen bin und besitzen wirklich die Dreistheit, sich so laut zu unterhalten, über mich und zu spektulieren ob ich gerade aus "meinem Heimatland" fliehen musste.

Ich saß regungslos da. In meinem Hirn ratterte es. Ich war so fassungslos, dass ich nichts sagen konnte.

Doch dann konnte ich meine Lippen wieder bewegen.
Ich sagte zu Marlon auf bayerisch, dass wir aussteigen müssen.

Nun waren die alten Damen baff und machten den Mund gar nicht mehr zu.
Als wir fast aus der Tür waren hörte ich nur noch:" So schnell kann die nicht deutsch gelernt haben, die wohnt sicher schon länger hier!"

DIE?? Hallo, ich heiße Katharina. Ich stamme zwar aus der Türkei, aber bin hier geboren und lebe hier seitdem ich das Licht der Welt erblickt habe.
Ich habe einen deutschen Pass und fühle mich als Deutsche!

Seitdem Flüchtlinge zu uns nach Deutschland kommen, fühle ich mich wie eine Fremde im eigenen Land. Ich werde dumm angegafft. Es wird über mich geredet, sodass ich jedes Wort verstehe und das nur weil ich aussehe wie eine Ausländerin??

Ich denke oft darüber nach, frage mich ob die Leute keine anderen Probleme haben.
Ist es denn nicht egal aus welchem Land wir kommen?
Welche Hautfarbe wir haben?
Wir sind alles Menschen.
In uns fließt Blut wie bei allen anderen auch.
Wir bestehen aus Knochen und Fleisch.
Wir haben alle ein Herz, eine Seele, ein Gedächtnis.

Was die Flüchtlinge alles durchmachen kann man sich sicher nicht vorstellen, wenn man es selbst nicht erlebt hat.
Ich war auf dem Sommerfest in einer Kaserne hier in München.
Ich redete mit den Leuten.
Ein 15 jähriger erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass er nicht weiß, ob er seine Eltern je wieder sehen wird. Das Geld reichte nicht, also wurde nur er auf die lange Reise geschickt.
Er war auf einem dieser Boote und kam irgendwann nach einer sehr weiten Reise in Deutschland an.
Die Flüchtlinge bekommen gar nicht so genau mit, was hier bei uns alles so abgeht und das ist auch gut so.
Sie gingen in Ungewissheit und kommen hier mit Ungewissheit an.
Existenzängste.
Todesangst.
Trauer um Familienmitglieder.
Wir können uns das nicht ausmalen!

Ein Syrer kam an diesem Sommerfest zu mir, strahlte mich an und sagte:" Syraia?"
Ich schaute ihn an und sagte, dass ich aus München bin.
Er war total verdutzt und dachte ich komme aus Syrien, genauso wie er.
Er wollte ein Foto mit mir haben und fragte ob das okay sei.
Ich stimmte zu. Wenn es ihm eine Freude macht, dann soll er ein Bild von mir haben.
Ich mag es, wenn ich Menschen für kurze Zeit glücklich machen kann.
Damkend verabschiedete er sich und ging lächelnd davon.

Diese Begegnung stimmte mich nachdenklich.
Die Menschen, die fliehen mussten, wirken nicht unglücklich.
Sie lachten, die Kinder aßen Eis.
Als ich mich länger umschaute, fielen mir aber etwas komische Dinge auf.
Ein Mann saß bei 40 Grad mit einer Herbstjacke da.
Ein Junge hatte Winterstiefel an.
Ein Jugendlicher hatte einen Schal um den Hals gewickelt.

Ich kam mit ihm ins Gespräch und fragte ihn, warum er denn so warm angezogen sei.
Er seufzte und sagte: Man darf nichts liegen lassen, es wird sofort geklaut. Die Not sei so groß, dass sich selbst die Landsleute untereinander beklauen. So müssen sie alles was sie besitzen am Körper tragen und manchmal hat man eben nur eine Winterjacke bekommen oder Winterstiefel und die Füße sind so kaputt von der Flucht, sodass man dann bei 40 Grad gerne die Stiefel trägt.

Puuhh. Das sind schon wirklich krasse Vorstellungen und ich schluckte echt als ich das erfuhr.

Ich ging heim, nahm meinen Sohn in den Arm, dankte Gott oder wem auch immer, dass ich sowas nicht erleben muss und packte mit ihm Zeug ein, für die Menschen, die so etwas erleben mussten und noch müssen!!



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